Das Seebad Prora war ein zwischen 1935 und 1939 geplantes und zum Teil auch errichtetes Seebad auf Rügen. Nach seiner Fertigstellung sollten hier durch die Organisation Kraft durch Freude (KdF) 20.000 Menschen gleichzeitig Urlaub machen können. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Bauarbeiten jedoch eingestellt, so dass heute der Koloss von Prora den Kern des Komplexes bildet. Dies sind acht auf einer Länge von etwa 4,5 km entlang der Küste aneinandergereihte baugleiche Häuserblocks, die ursprünglich Gästehäuser werden sollten.
Lage
Der Koloss von Prora liegt auf der Ostseeinsel Rügen zwischen den Orten Sassnitz und Binz an der Prorer Wiek, einer weitläufigen Meeresbucht, auf der so genannten Schmalen Heide (mit der Prora, einer bewaldeten Hügelkette), die den Kleinen Jasmunder Bodden vom Prorer Wiek der Ostsee trennt. Der Bau des Seebades führte in der direkten Umgebung zur Entstehung des Binzer Ortsteils Prora. Der Gebäuderiegel erstreckt sich über eine Länge von etwa 5 km in einem Abstand von ca. 150 m zum Strand. Die Küste der Schmalen Heide bietet einen langen flachen Sandstrand, der von Binz bis zum neuen Fährhafen Sassnitz im Ortsteil Neu Mukran reicht und ideal für die Errichtung eines Seebades war. Der Bereich zwischen Gebäuden und Küste ist heute mit Kiefern und niedrigem Gebüsch bewachsen.
Architektur und Konzeption
Der Auftrag zur Errichtung des Seebades wurde nach einer Ausschreibung im Februar 1936 an den Architekten Clemens Klotz (1886–1969) erteilt. Zwar waren insgesamt zehn renommierte Architekten an dem Verfahren beteiligt, allerdings hatte Klotz bereits andere nationalsozialistische Propagandabauten errichtet und im Auftrag seines Förderers, des KdF-Führers Robert Ley, auch für diese Anlage vorher schon Pläne entwickelt. Sie wurden nach dem Wettbewerb auf Weisung Hitlers nur dahingehend modifiziert, dass aus dem Entwurf des Architekten Erich Putlitz die große Festhalle als weiteres zentrales Element übernommen und architektonisch angepasst wurde. Der Gesamtentwurf wurde auf der Weltausstellung in Paris 1937 mit dem Grand Prix ausgezeichnet, parallel dazu wurde er aber auch noch während der Bauausführung bis 1939 verändert, was sich unter anderem in einem Verzicht auf die erst nachträglich eingefügte Festhalle äußerte.
Die Planungen sahen vor, für die Unterbringung der Urlauber acht jeweils 550 m lange, sechsgeschossige, völlig gleichartige Häuserblocks mit insgesamt 10.000 Gästezimmern zu errichten. Durch diese langgestreckte, über ca. 5 km entlang der Küstenlinie reichende Bauweise sollte erreicht werden, dass alle Zimmer Meerblick hatten, während die Flure zur Landseite hin gelegen waren. Die geplante Ausstattung der nur 2,5 mal 5 Meter großen Zimmer, von denen jeweils zwei mittels einer Tür verbunden werden konnten, war an heutigen Maßstäben gemessen recht karg: zwei Betten, eine Sitzecke, ein Schrank und ein Handwaschbecken. Weitere sanitäre Einrichtungen fanden sich jeweils in den landwärts gerichteten Treppenhäusern der Blocks. Bemerkenswert ist, dass alle Gästezimmer über Lautsprecher verfügen sollten.
Aus der Uniformität der Architektur der Gästeblocks und der sehr zweckmäßigen Einrichtung, die zusammengenommen eine Errichtung nach dem Baukastenprinzip erlaubten, wird deutlich, dass hier anders als bei anderen nationalsozialistischen Großprojekten zumindest in diesem Teil der Anlage die Funktionalität über die Architektur gestellt wurde.
Das Leben in der Ferienanlage sollte, dem totalitären Anspruch des Systems folgend, in der Gemeinschaft stattfinden. Zu diesem Zweck waren Gemeinschaftshäuser mit Liegehallen geplant, die in regelmäßigen Abständen „wellenbrecherartig“ küstenwärts aus der Häuserfront heraus gebaut wurden, wodurch die Urlauber vom Wetter unabhängiger gemacht werden sollten. Als weitere Gemeinschaftseinrichtungen sollten unter anderem zwei Wellenschwimmbäder, ein Kino und mehrere Gastronomiebetriebe errichtet werden. Weitere zentrale Elemente der Anlage waren der in der Mitte zwischen den Blocks geplante Aufmarschplatz und die Kaianlagen, die ein Anlegen von Seebäderschiffen ermöglichen sollten.
Parallel zu den Anlagen für die Urlauber musste die komplette Infrastruktur für eine derartige Menge Menschen aufgebaut werden. Landeinwärts wurden zu diesem Zweck ein Bahnhof, Personal- und Wirtschaftsgebäude geplant und auch zum Teil realisiert.
Von der ursprünglichen Planung der Hauptanlage konnten bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges nur die Bettenhäuser und die südliche Festplatzrandbebauung fertiggestellt werden. Baudirektor und Oberbauleiter war Willi Heidrich. Nach dem Krieg wurde der südlichste Block von der Roten Armee gesprengt und abgetragen und die beiden nördlichen Blocks nach Sprengübungen als Ruine hinterlassen. Der nachfolgende Nutzer, die Kasernierte Volkspolizei, komplettierte bis 1956 die Rohbauten. Da diese als Kasernen aber in erster Linie zweckmäßig sein mussten und die Originalpläne nicht mehr verfügbar waren, lässt sich an den Blocks heute zum Teil deutlich nachweisen, in welcher Periode die verschiedenartigen Teile des Baus ergänzt wurden.
Heute steht der gesamte Komplex unter Denkmalschutz.
Heutige Nutzung und Planungen
In der südlichen Festplatzrandbebauung befindet sich noch heute das Dokumentationszentrum Prora. Hier wird neben Sonderausstellungen u. a. die Dauerausstellung „MACHTUrlaub – Das KdF-Seebad Rügen und die deutsche Volksgemeinschaft“ gezeigt, in der die Bau- und Nutzungsgeschichte der Anlage dokumentiert wird. Thematisiert werden dabei sowohl die Hintergründe des Projekts als auch seine Vereinnahmung durch die nationalsozialistische Propaganda.
Seit 2004 gelang es aber auch zunehmend, die anderen Blöcke der Anlage einzeln zu veräußern, wobei ein Abschluss der Entwicklungen hin zu einer definitiven Nutzung für die gesamte Anlage noch nicht erreicht scheint:
Am 23. September 2004 wurde Block 6 für 625.000 Euro an einen unbekannten Ersteigerer veräußert.
Block 3, die ehemalige Museumsmeile, wurde am 23. Februar 2005 an die Inselbogen GmbH verkauft, die in der Folgezeit den Betreibern der dort ansässigen Museen kündigte und eine Nutzung als Hotel- und Kulturbetrieb ankündigte.
Im Oktober 2006 wurden die Blöcke 1 und 2 an die Prora Projektentwicklungs GmbH in Binz veräußert. Die Pläne der neuen Eigentümer sehen in den beiden Blöcken südlich der jetzigen Museumsmeile vor allem Wohnungen vor. Für das Erdgeschoss ist eine Mischung aus Kultur, Kunst, Gastronomie, Kleingewerbe und Einkaufsmöglichkeiten geplant.
Im November 2006 hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit dem Landkreis Rügen einen Kaufvertrag über Block 5 abgeschlossen. Der Landkreis Rügen beabsichtigt in Block 5 mit finanzieller Unterstützung von Bund, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der EU die Errichtung einer Jugendherberge mit 500 Betten für das DJH. Ein internationaler Jugendzeltplatz mit 250 Plätzen ist seit September 2007 geöffnet.
Im Jahr 2007 beabsichtigte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben den verbliebenen Gebäudekomplex 4 sowie den Bereich des Zentrums von Prora auf den Markt zu bringen. Angesichts der positiven Entwicklung, die sich in den verkauften Bereichen abzeichnete, war man in der zuständigen Hauptstelle Rostock optimistisch, auch für diesen Abschnitt einen Käufer mit einem wirtschaftlich tragfähigen Konzept zu finden.
Am 15. März 2008 eröffnete auf dem 3,7 Hektar großen Küstenwaldareal des Komplexes ein Hochseilgarten. Insgesamt wurden 460.000 Euro in den Bau der neuen Sportanlage investiert.